16.10.2015
Unternehmensbesteuerung: Der Rangrücktritt im Spannungsverhältnis von Gesellschafts-, Insolvenz- und Steuerrecht
Durch eine Rangrücktrittsvereinbarung verzichtet der Gläubiger vorläufig auf die Erfüllung seiner Forderung, um andere (potenzielle) Gläubiger besser zu stellen oder eine Überschuldung eines Unternehmens im Sinne der Insolvenzordnung zu verhindern.
Bei der Fassung eines solchen Rangrücktritts sind aus steuerrechtlicher Sicht einige Aspekte zu beachten. Die von dem Rangrücktritt erfassten Verbindlichkeiten sollen weiterhin in der Steuerbilanz passiviert werden können und in einer Überschuldungsbilanz nicht passiviert werden müssen.
Welche Voraussetzungen eine Rangrücktrittsvereinbarung erfüllen muss, ist seit jeher umstritten. Auswirkungen ergeben sich im Bereich des Insolvenz- und des Steuerrechts.
1. Insolvenzrecht
§ 19 Abs. 2 S. 2 der Insolvenzordnung (InsO) sieht vor, dass Gesellschafterdarlehen nicht passiviert werden müssen, wenn für sie nach § 39 Abs. 2 InsO ein Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart wurde.
Der BGH hat nunmehr entschieden, dass ein qualifizierter Rangrücktritt nicht nur eine Durchsetzungssperre für den Gläubiger regelt, sondern ein Zahlungsverbot zu Gunsten aller Gläubiger (BGH, Urteil vom 05.03.2015, Az.: IX ZR 133/14). Als Vertrag zugunsten der Gläubigergesamtheit könne die Vereinbarung ab Eintritt der Insolvenzreife nicht durch eine Abrede des Schuldners mit dem Gläubiger der Forderung aufgehoben werden. Dies bedeutet, dass die Zustimmung aller Gläubiger erforderlich ist, wenn die Verbindlichkeit aus anderem als freiem Vermögen beglichen oder der Rangrücktritt aufgehoben werden soll.
Eine dennoch stattfindende Zahlung erfolge ohne Rechtsgrund und könne daher nach § 812 BGB bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 134 InsO zurückgefordert werden.
2. Steuerrecht
§ 5 Abs. 2a des Einkommenssteuergesetzes (EStG) regelt, dass Verbindlichkeiten, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, erst in der Steuerbilanz passiviert werden dürfen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.
Daraus kann folglich ein steuerliches Passivierungsverbot resultieren, was durch die Rangrücktrittsvereinbarung verhindert werden kann. Zu regeln ist, dass eine Tilgung der Verbindlichkeiten auch aus sonstigem freien Vermögen erfolgen kann.
Ähnlich hat das Niedersächsische Finanzgericht ein Passivierungsverbot verneint, wenn im Rangrücktritt geregelt ist, dass die Verbindlichkeiten nur aus einem künftigen Handelsbilanzgewinn oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt werden müssen (Urteil vom 12.06.2014, Az.: 6 K 324/12). Damit werde die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2a EStG auf die Darlehensverbindlichkeit ausgeschlossen, da der handelsrechtliche Begriff des Bilanzgewinns weiter sei als der steuerrechtlichen Begriffe des Gewinns und des Jahresüberschusses.
Das Urteil wurde inzwischen vom BFH aufgehoben (BFH, Urteil vom 15.04.2014, Az.: I R 44/14). Die Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG sei nicht von den oben genannten Begrifflichkeiten abhängig. Eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, unterliege dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG. Sie sei nur dann erfolgswirksam auszubuchen, wenn auf eine Tilgung aus einem Liquidationsüberschuss oder aus dem sonstigen freien Vermögen verzichtet werde. Ein nicht näher präzisierter Rangrücktritt sei aber regelmäßig nicht dahingehend auszulegen, dass der Gläubiger auf eine solche Rückzahlung verzichte. In der Regel sei § 5 Abs. 2a EStG daher nicht anwendbar (Kahlert, in: Kübler, Handbuch Restrukturierung in der Insolvenz, 2. Auflage 2015, § 57 Rn. 222).