26.03.2014

Öffentliches Baurecht: Großflächiger Einzelhandel kann auch in einem faktischen Mischgebiet zulässig sein, OVG Münster 02.12.2013 – 2 A 1510/12

Leitsatz:

1. Ein großflächiger Lebensmitteldiscounter mit einer Geschossfläche von mehr als 1.200 m² kann in einem faktischen Mischgebiet zulässig sein.

2. Die Widerlegung der Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 S. 3 BauNVO erfordert, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte die Annahme gerechtfertigt erscheint, im betreffenden Fall handele es sich um ein Vorhaben, das aufgrund seines Betriebstyps oder der besonderen städtebaulichen Situation nicht zu dem Betriebstyp gerechnet werden kann, den der Verordnungsgeber dem § 11 Abs. 3 S. 3 BauNVO zugrunde gelegt hat.

3. Die Lage eines Vorhabenstandorts innerhalb eines interkommunal abgestimmten zentralen Versorgungsbereichs kann ein gewichtiges Indiz für eine städtebauliche Atypik sein.

4. Greift die Vermutungsregel wegen des Vorliegens einer atypischen Fallgestaltung nicht ein, ist im Weiteren – quasi in einem zweiten Schritt – im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls aufzuklären, ob der zur Genehmigung gestellte großflächige Einzelhandelsbetrieb gleichwohl im Einzelfall mit Auswirkungen der in § 11 Abs. 3 S. 2 BauNVO genannten Art verbunden sein wird oder kann.

Entscheidung:

Ein Bauherr wollte einen Lebensmitteleinzelhandelsbetrieb mit einer Verkaufsfläche von 1.000,00 m² und 101 Stellplätzen errichten. Ein Bebauungsplan bestand für das Vorhabensgrundstück nicht. Die nähere Umgebung des Vorhabensgrundstücks war als faktisches Mischgebiet zu qualifizieren. Der vom Bauherrn beantragte Bauvorbescheid wurde von der Verwaltung abgelehnt. Das OVG Münster hat dem Bauherrn jedoch im Urteil vom 02.12.2013 (AZ 2 A 1510/12) einen Anspruch auf Erteilung des beantragten Bauvorbescheides zugesprochen.

Nach § 11 Abs. 3 BauNVO sind großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Die Regelvermutung, wonach großflächige Einzelhandelsbetriebe entsprechende negative Auswirkungen haben, kann nach § 11 Abs. 3 S. 4 widerlegt werden. Dies ist dem Bauherrn in dem vorliegenden Verfahren gelungen. In der zitierten Entscheidung hat das OVG Münster eine Reihe von Einzelkriterien aufgeführt, die für die Widerlegung der Vermutung relevant sein können. Insbesondere hänge es maßgeblich davon ab, welche Waren angeboten werden, auf welchen Einzugsbereich der Betrieb angelegt ist und in welchem Umfang zusätzlicher Verkehr hervorgerufen wird. Selbstverständlich werden auch Kaufkraftabflüsse betrachtet. Vorliegend hat das Gericht einen atypischen Fall angenommen, wofür es als wesentlich angesehen hat, dass das Vorhaben innerhalb eines interkommunal abgestimmten zentralen Versorgungsbereichs lag.

 

Fazit:

Auch wenn ein Grundstück nicht im Kerngebiet oder in einem Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel liegt, lohnt sich die Betrachtung der besonderen Situation des Standorts. Bei einer hinreichend tragfähigen Begründung kann großflächiger Einzelhandel auch in anderen Baugebieten realisiert werden.

 

Frank Maaß, Mag. rer. publ.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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