13.04.2015

Architektenhaftung: Mangel der Werkleistung bei Abweichung von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit (BGH, Urteil vom 10.07.2014, Az.: VII ZR 55/13)

Leitsatz:

Ein Mangel der Werkleistung liegt vor, wenn sie nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Dabei ist die Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik, sofern nicht ein anderer Standard vereinbart worden ist, als Mindeststandard geschuldet (Bestätigung von BGH, Urteil vom 7. März 2013, VII ZR 134/12, BauR 2013, 952).

Entscheidung:

Die Parteien stritten über wechselseitige Ansprüche aus einem gekündigten Architektenvertrag. Der auf Restwerklohn klagende Innenarchitekt beriet den beklagten Bauherrn unzutreffend dahingehend, dass in dem Baugebiet nur eine zweigeschossige Bauweise anstelle der vom Beklagten präferierten eingeschossigen Bauweise zulässig sei. Nachdem es zwischen den Parteien zu Differenzen gekommen war, kündigte der Beklagte den Architektenvertrag fristlos und ließ den fertig gestellten Rohbau wegen Mängeln vollständig abreißen. Im Zuge des Abrisses wurde festgestellt, dass die Sohlplatte entgegen den allgemein anerkannten Regeln der Technik und der Tragwerksplanung lediglich mit Stahlfaserbeton ausgeführt worden war. Die beim Beklagten angefallenen Errichtungs- und Abbruchkosten machte der Beklagte im Wege der Widerklage gegen den Kläger geltend. Das Berufungsgericht wies die Widerklage des Beklagten weitestgehend u.a. mit der Begründung ab, eine mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht im Einklang stehende Ausführung der Bodenplatte mit Stahlfaserbeton stelle nicht stets einen Mangel dar, sondern könne im Einzelfall als ordnungsgemäß angesehen werden.

Dieser Auffassung des Berufungsgerichts hat der BGH im Revisionsverfahren eine klare Absage erteilt. Ein Werk sei mangelhaft, wenn es nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufweise. Dabei sei anzunehmen, dass die Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik, sofern nicht ausdrücklich ein anderer Standard vereinbart worden sei, als Mindeststandard geschuldet sei. Entspreche die Werkleistung nicht diesem Mindeststandard, liege ein Mangel der Werkleistung vor.

Fazit:

Der BGH bestätigt seine im März 2013 getroffene Entscheidung, wonach im Zweifel anzunehmen ist, dass die allgemein anerkannten Regeln der Technik als Mindeststandard geschuldet sind. Dies gilt sowohl für den Bau- als auch den Architektenvertrag.

Eine Legaldefinition für die „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ existiert bislang nicht. Nach überwiegender Ansicht ist eine technische Regel dann allgemein anerkannt, wenn sie

a) der Richtigkeitsüberzeugung der vorherrschenden Ansicht der technischen Fachleute entspricht (allgemeine wissenschaftliche Anerkennung), und

b) in der Praxis erprobt und bewährt ist (praktische Bewährung).

Damit unterscheidet sich der (Mindest-)Standard der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ nach richtiger Ansicht insbesondere vom „Stand der Technik“, wie er z. B. in umwelt- und technikrechtlichen Gesetzen verwendet wird. In der werkvertraglichen Praxis sollten daher diese beiden Begriffe stets auseinandergehalten und nicht - wie immer wieder anzutreffen - vermischt oder auch synonym gebraucht werden.

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